SUGAR

Bjørn Melhus &

In einer unbestimmten Zukunft, auf einem Planeten Erde, der fast unbewohnbar geworden ist: Extrem weit fortgeschrittene KI-Technologien haben die einstmals führende Rolle des Menschen übernommen. Lebewesen sind fast ausgestorben, mit einigen wenigen Ausnahmen, darunter einige verbliebene Menschen, die eine rückwärtige Evolution durchgemacht haben und sich intellektuell und sensorisch soweit zurückentwickelt haben, dass sie zu Sklaven des Konsumdenkens geworden sind. Die HONs (Human Organism Normal) haben ihre sozialen und intellektuellen Fähigkeiten verloren. Sie verwandeln sich allmählich in kohlenstoffbasierte Erweiterungen der digitalen Wolke, da sie den Massenmedien, dem Internet, den sozialen Medien und dem Überkonsum exzessiv ausgesetzt sind. Da sie nicht in der Lage sind, in Abhängigkeit voneinander in einer Gemeinschaft zu überleben, bleiben sie isoliert in unterirdischen Einrichtungen, die Concept Stores ähneln.

SUGAR, ein stillgelegtes Modell der ersten AC-(Artificial Consciousness)-Robotergeneration, begibt sich auf die Suche nach der Wiederherstellung der geschädigten kognitiven Fähigkeiten des Menschen. Die Begegnung mit einem HON (der von Bjørn Melhus verkörpert wird) offenbart das Ausmaß des Verfalls des menschlichen Geistes: Die Gewohnheiten und der Monolog (Sätze, die in Form eines beängstigenden Loops wiederholt werden) des temperamentvollen Geschöpfes bilden die für die Social-Media-Kommunikation typische häufige Überfrachtung mit nicht ausgearbeiteten Gedanken und Gefühlen nach und betonen gleichzeitig die allumfassende Kontrolle, die durch KI erreicht wird. Mit seiner fesselnden Erzählung und seinem angsteinflößenden Monolog hinterfragt das Werk absichtlich unsere Fähigkeit, konzentriert bleiben zu können. Es tut dies, indem es die innere Unruhe reproduziert, die man beim Herunterscrollen durch zu viele Feeds, Beiträge und Updates auf dem Bildschirm des Smartphones erleben kann.

Erschöpft von den gescheiterten Versuchen, die sozialen Fähigkeiten der HONs wiederherzustellen, verlässt SUGAR schließlich den Bunker und wandelt auf der Oberfläche des Planeten umher zwischen den Trümmern und Ruinen einer vergangenen Welt, einer ausgelöschten Tier- und Pflanzenwelt. Reste von ausgebleichten Korallen in den unterirdischen Einheiten stehen in Kommunikation mit den schwammartigen Kreaturen, die auf der Planetenoberfläche leben. Sie scheinen SUGAR durch die Ausstrahlung elektrischer Sporen oder Impulse aufzuladen. Die Struktur, die an das Netzwerk eines Pilzes erinnert, deutet auf eine mögliche miteinander verflochtene Evolution zwischen der KI-Technologie, den übrigen Lebensformen auf dem Planeten und anderen kosmischen Kräften hin. Durch diese gedankliche Assoziation distanziert sich das Werk von anthropozentrischen Positionen, indem es darauf hinweist, dass der Mensch – trotz der bevorstehenden Klimakatastrophe und des sechsten Massensterbens, das derzeit im Gange ist – lediglich ein Kapitel des Lebens selbst ist, das Wege finden wird, sich mit oder ohne uns anzupassen und weiterzuentwickeln. (Vanina Saracino)

Abbildungen: Bjørn Melhus, SUGAR, 2020 © Bjørn Melhus & VG Bild-Kunst

Über das Video

Titel SUGAR
Jahr 2020
Videonale VIDEONALE.18
Länge 00:20:30
Format 16:9
Land Germany,
Sprache Englisch
Leihgabe Der Künstler
Spezifikation Farbe, Ton, Einkanalvideo

Über den Künstler

Bjørn Melhus
  • 1966 in Kirchheim unter Teck, GER, lebt und arbeitet in Berlin, GER.
    Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, GER, und am California Institute of the Arts, Santa Clarita, USA
Webseiten

Hintergründe auf Videonale X

Desktop Selfie
Bjørn Melhus über die hundert Charaktere, die er geschaffen hat, seine Liebe zu Charlie Chaplin und einen Blick in das Kapitalismus Magazin.
KonteXt
Im Gespräch mit Vanina Saracino berichtet Bjørn Melhus über seine Arbeit SUGAR und was es mit dem gleichnamigen, humanoiden Roboter, der fühlen, denken und tanzen kann, auf sich hat.