Amplifier
Schwarz-weiße, körnige 8mm-Aufnahmen zeigen in statischen Einstellungen den massigen Bau des 1938 vollendeten Olympiastadions in Helsinki, Finnland. Seit 2016 befindet sich die unter Denkmalschutz stehende Sportstätte im Umbau und soll voraussichtlich 2019 wiedereröffnet werden. Die hinterlegte Tonspur, auf die sich auch der Titel der Arbeit bezieht, verstärkt und verzerrt kleinste, kaum wahrnehmbare Geräusche zu einem dem Bild ebenbürtigen Klangteppich.
Ekström verwebt die Aufnahmen der funktionalistischen Architektur und utopischen Idee des Baus aus einer längst vergangenen Zeit mit denen eines maskierten Tänzers (Heikki Vienola), der mit seinem Körper und seinen Bewegungen diesen Ort erkundet. Der starren, leblosen Architektur, der ihrer Funktion beraubten Stätte, der verfallenen Hülle des sich in der Renovierung befindlichen Stadions mit seinem kalten, anorganischen Baumaterial wird der lebendige, bewegte, erhabene Körper des Tänzers entgegengesetzt. Die Arbeit befragt die Beziehung und das Zusammenspiel zwischen Mensch und Ding, zwischen Ruhe und Aktivität, Vergangenheit und Zukunft. Immer wieder fokussiert die Kamera auf Spuren, die der Mensch hinterlassen hat: die zum Teil abgebauten Holztribünen, leere Arbeitsplätze, geschliffene Stellen in ansonsten unbehandelten Felsblöcken.
Die analoge Kamera als Erkundungsmedium zeitlicher Prozesse dient Ekström dabei als Instrument zur Reflektion über Zeitlichkeit, Vergessen und Erinnerung, aber auch Täuschung und Illusion. So lässt sie im Video einzelne Sequenzen rückwärts ablaufen, schafft räumliche Illusionen durch den Einsatz von Split Screens und erzeugt durch Schnittfolgen Assoziationen, etwa zwischen Nahaufnahmen von Schusspatronen und Löchern in Felsblöcken auf der Stadionbaustelle. Auf die Spitze getrieben wird der spielerische Umgang mit Realität durch das Filmen kleiner Zauberkunststücke: Ein Schlüssel erscheint aus dem Nichts; ein Fossil verwandelt sich in eine Uhr, in einen Stein; ein finnischer Orden zerfällt zu Staub. Der kühle Stadionbau verwandelt sich in einen mit Symbolen aufgeladenen, surrealen Ort. Das Szenario erscheint als Hybrid zwischen Traum und Realität, untermauert durch die überdeutlich wahrnehmbaren Geräusche und den futuristisch maskierten Tänzer, dessen Bewegungen an den avantgardistischen Ausdruckstanz oder nicht-westliche Tanzformen erinnern. Dahinter steht auch die Frage nach unserer Identität. Was bleibt? Was ist unsere Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft? (Alexandra Südkamp)
Image: Saara Ekström, Amplifier, 2017 © Saara Ekström
Über das Video
Über die Künstlerin
- 1965 in Turku, FIN.
Studierte an der Turku Arts Academy, FIN, und der Northern Arizona University in Flagstaff, USA