Tao Te Ching

In Mateusz Sadowskis Videoperformance sehen wir einen schlicht und dunkel gekleideten Mann in einer einfachen Küche, der wie in einem fremdartigen Ritual mit einer Ketchup-Flasche chinesische Schriftzeichen auf die weißen Emailoberflächen schreibt. Die Kamera zeigt nicht sein Gesicht, sondern lediglich seine ruhig und konzentriert arbeitenden Hände.

Der Titel der Arbeit sowie die durch das Bild laufenden Untertitel verweisen die Betrachter:innen auf eine Deutungsebene, die über die rein ästhetische Wirkung der eleganten Zeichen und des intensiven Rot-Weiß-Kontrasts hinausgeht. Das Rot des Ketchups auf dem weißen Email weckt Assoziationen von Blut und Gewalt und an verlorene Unschuld. Das zitierte 18. Kapitel des Tao Te Ching – eines Textes, der sich eindeutiger Interpretation eigentlich verschließt – wirkt plötzlich wie eine Anklage gegen menschliche Hybris und moralischen Verfall.

In seiner fast vollkommenen Stille ist der stumme Protest um so eindringlicher. Erst als bereits alle Arbeitsflächen bedeckt sind und der Künstler das Tao auf der weißen Wand fortschreiben muss, scheint eine gewisse Unbeherrschtheit die kühle Besonnenheit zu durchbrechen. Durch die Verwendung alltäglicher, dem Bereich der Konsumkultur entstammender Materialien mit vielschichtigem Symbolcharakter, die Wahl des Ortes sowie die behutsamen Gesten erzielt Sadowski eine Wirkung, die den Moment des Protests überdauert. Form und Inhalt bleiben in einem immer währenden Gleichgewicht, ohne einander zu erschöpfen. (Sayaka Honsho)