Perspektive #8: Objekt und Erzählung
Eine Perspektive auf die Ausstellung der VIDEONALE.19
In den für diese Perspektive auf die Ausstellung der VIDEONALE.19 ausgewählten Werken ist es das Erzählen vom Objekt aus, das mich besonders interessiert hat. Wie können Objekte, anstelle von Personen oder konkreten Themen, zu Impulsgebern für Erzählungen werden und welche neuen Perspektiven ergeben sich dadurch für die Erzählung im Video selbst, aber auch auf die generelle Frage nach: Wer spricht und wer wird gehört?
In Die Hörposaune von Antonia Baehr, Jule Flierl und Isabell Spengler werden Pop-Up Bücher mit dreidimensionalen Modellen des Körperinneren und von Pflanzen zu Partituren, deren Formen, Kanten, Übergänge und Öffnungen die Interpret:innen mit ihren Fingerkuppen langsam erfassen und in Geräusche, Sounds, Melodien, Rhythmen, leibliche Notationen umwandeln. Es entsteht eine vollkommen neuartige Form der Kommunikation, in deren Verlauf die unsichtbaren Vorgänge des Innerlichen neu hör- und fühlbar werden.
In der Arbeit Ghost Light von Timoteus Anggawan Kusno sind es die Plastik einer Krähe, die metallene Skizze eines Podests, verschiedene Lampions und das sogenannte Ghost Light, auf die die beiden Performer immer wieder neu mit ihren Bewegungen, ihrer Mimik und Gestik, reagieren. Aus dieser Begegnung mit den Objekten und ihren Geschichten entsteht eine ganz eigene und poetische Form der Erzählung über verschiedene Zustände des Übergangs.
In Stéphanie Lagardes Minimal Sway While Starting My Way Up nimmt uns ein Fahrstuhl mit auf eine Reise in die vertikalen Schichtungen von Macht und globalen ökonomischen Abhängigkeitsstrukturen. Wir pendeln zwischen einer Mine 120 Meter unter der Erde und den schwindelerregenden Höhen internationaler Immobilieninvests. Die Dynamiken eines auf bedingungslosen Profit ausgerichteten Systems werden in den entfremdeten Stimmen aus dem Fahrstuhl-Feed fast unheimlich plastisch.
Die sogenannten ›Picós‹, Afro-kolumbianischen Soundsysteme, werden zu zentralen Objekten der filmischen Erzählung in EKOBIO von Elkin Calderón Guevara & Diego Piñeros García. Die Schauspieler:innen treten in einen identitätsstiftenden Dialog mit den ›Picós‹, die eine große (musik)kulturelle Bedeutung für die Afrikanische Diaspora in Kolumbien besitzen; sie werden im Verlauf des Films zu Verstärkern dieser sich selbst bewussten und sich vom kolonialen Erbe befreienden Stimmen.
Tasja Langenbach
Wenn Sie diese Perspektive erleben wollen, schauen Sie sich folgende Werke in der Reihenfolge Ihrer Wahl an:
Timoteus Anggawan Kusno | Ghost Light
Antonia Baehr, Jule Flierl und Isabell Spengler | Die Hörposaune, aufgenommen in einer visuellen Installation von Nadia Lauro
Stéphanie Lagarde | Minimal Sway While Starting My Way Up
Elkin Calderón Guevara & Diego Piñeros García | EKOBIO
*Diese Perspektive wurde für die Ausstellung zur VIDEONALE.19 im Kunstmuseum Bonn kuratiert. Da nicht alle für diese Perspektive ausgewählten Werke im Online-Archiv gezeigt werden dürfen, kann das Programm hier leider nur unvollständig gesichtet werden.
Zur Person
Tasja Langenbach ist unabhängige Kuratorin mit einem Fokus auf Medienkunst und bewegte Bilder. Sie ist künstlerische Leiterin der Videonale. Sie nimmt an Auswahl-, Preis- und Stipendien-Juries teil und ist Mitglied des Kuratoriums des imai - inter media art institute, Düsseldorf. Weiterhin lehrt sie Kultur, Ästhetik, Medien an der HSD Düsseldorf.