Perspektive #4: How to Video

Alles, was ich jemals über Videokunst wissen wollte

Zeitbasierte Medien, besonders bewegte Bilder, sind heute so relevant wie nie zuvor. Bewegte Bilder zu konsumieren, aber auch selbst zu produzieren und zu bewerten, ist fester Bestandteil meines kuratorischen Alltags. Der Gedanke liegt nah, dass ein künstlerisches Medium wie die Videokunst, das mit bewegten Bildern jeglicher Art arbeitet, immer selbstverständlicher als Kunstform konsumiert werden sollte − das stimmt aber nur zum Teil: gerade die künstlerischen digitalen Medien gelten als schwer zugänglich. Sie sind zu abstrakt und zu komplex, um selbstverständlicher Teil des Alltags von (Kunst)Konsument:innen zu werden. Hier setzte ich mit der kuratorischen Gestaltung von Videonale X an.

Videonale X ist eine interaktive Plattform, die das Wissen über Videokunst und angrenzende Themen vermittelt. Sie lädt die Nutzer:innen ein, Aspekte der Videokunst bildnerisch und spielerisch zu erforschen, die im Rahmen einer klassischen Werkpräsentation − beispielsweise einer Ausstellung, einem Screening – normalerweise keine Rolle spielen. Von der Makro- bis zur Mikroebene: denn Videokunst ist mehr als nur das einzelne Werk – es ist die Vielzahl an Konzepten, Techniken, Ideen, Materialien, Fragmenten, Störungen, Versuchen und Fehlern, die dem Werk in seiner Gesamtheit die Authentizität verleihen.

Während der Entwicklung von Videonale X habe ich mich immer wieder gefragt, wie die Videokunstwerke erfolgreich durch digitale Formate kommuniziert und rezipiert werden können. Wie wählt man die richtigen Worte für die Ansprache, erschafft die richtige Atmosphäre und tritt in Resonanz an einem Bildschirm?

Als Kuratorin digitaler Konzepte war es für mich sehr bedeutsam zu verstehen, wie die Kunstwerke entstanden sind und welche Faktoren dabei von Bedeutung waren. Die Frage nach dem „How to…“, der kurzen und doch so wichtigen Anleitung mit prägnantem Wissen, hat für mich viele Aspekte der Videokunst in einen neuen Zusammenhang gebracht und schlägt sich in den Vermittlungsformaten (X-Formate) auf der Plattform nieder. Die Stilmittel-Auswahl ist dabei ebenso bedeutsam wie die technische Umsetzung und die Wahl des digitalen Werkzeugkoffers. Aber auch das autografische künstlerische Selbst und die vielen Aspekte, die es in der Welt zu beleuchten gibt, waren bei der Konzeption der Plattform stets präsent. Videonale X ist also die Möglichkeit, durch kurze X-Formate (Videoclips) die vielen Aspekte der Videokunst auf anderen visuellen Ebenen zu veranschaulichen und durch bildnerische Mittel in ein anderes Licht zu rücken.

Im Folgenden sind einige Arbeiten aufgeführt, die an meine Idee von „How to Video“ anschließen. Dabei handelt es sich um eine Untersuchung der durchlässigen Membran zwischen dem Bildschirm, der Gestaltung digitaler und analoger Realitäten und wie durch künstlerische Intervention die Grenzen verschwimmen.

Mateusz Sadowski veranschaulicht die Verbindung von analogen und digitalen Räumen in seiner Arbeit Volume. Durch die gezielte Verwendung von Animationen von alltäglichen Situationen löst sich die Verbindung allmählich auf. Aber können Animation und Realität im täglichen Leben auch ohne großen filmischen Effekt verschmelzen? In The Silent Spectre of Motion lässt Bridget Walker reale und imaginäre Welten anhand eines Geisterkostüms ineinander übergehen. Ana Maria Millán präsentiert in Elevación, wie Rollenspiel-Charaktere durch solche dystopischen Online-Welten streifen. In Freeroam Á Rebours analysiert Stefan Panhans die Unvollkommenheit des Verhaltens von Videospiel-Avataren und überträgt diese zurück in die Realität − aber der "Fehler" der Funktionalität bleibt. One Real Hour von Miriam Gossing und Lina Sieckmann zeigt hingegen, wie die Erzählformen aus Fiktion und Animation am Screen eine Atmosphäre der Kontrolle schaffen und wie die Flucht aus der Realität immer mehr zu einem Zeitvertreib für uns wird.

Miriam Hausner



Zur Person

Miriam Hausner ist freie Kuratorin mit Schwerpunkt holistischer Konzepte für digitalen Kontext und Raum. Sie konzipierte und organisierte medienbasierte Projekte für die Stiftung Bauhaus Dessau, düsseldorf photo+ oder das IMAI – Inter Media Art Institute, Düsseldorf. Derzeit ist sie als kuratorische Leitung für Videonale X und als kuratorische Assistentin des VIDEONALE.19 Festivalprogramms für die Videonale tätig.



Videonale X

Videonale X ist ein Angebot, die Komplexität von Videokunst zu entschlüsseln und neue individuelle Zugänge zu den Werken und den Künstler:innen zu entdecken. Alles, was du jemals über Videokunst wissen wolltest, findest du hier: x.videonale.org

Videonale X wird entwickelt im Rahmen von „dive in. Programm für digitale Interaktionen“ der Kulturstiftung des Bundes, gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR.

Image Credit: Portrait: © Max Brugger / Video still: Stefan Panhans, Freeroam À Rebours, Mod#I.1, 2016 © Stefan Panhans

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